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Stein braucht eine Bühne


Interview mit Manfred Breitwieser

H.O.M.E. Magazin: Über die Seele und Energie vonStein und seine natürliche Schönheit.

Norman Kietzmann von H.O.M.E. im Gespräch mit Manfred Breitwieser

Herr Breitwieser, worin liegt die Besonderheit Ihres Unternehmens? 
Manfred Breitwieser: Stein ist immer ein Unikat. Das Material ist 4,2 Milliarden Jahre alt und natürlich gewachsen. Wir suchen die besonderen Blöcke – Jahrhundertblöcke, wie wir sie nennen. Sie sind einfach wunderschön. Die Bruchbesitzer wissen ganz genau, dass sie einen solchen Block auf der ganzen Welt verkaufen können. Doch natürlich wollen sie auch die anderen Blöcke verkaufen, die nicht ganz perfekt gewachsen und nicht besonders schön gezeichnet sind. Und so ist es immer ein Spiel. Wir sind seit mehr als 30 Jahren mit den meisten Bruchbesitzern befreundet und immer auf Augenhöhe. Dadurch bekommen wir Materialien, die sonst niemand bekommt. Das ist unser großer Vorteil. Im Grunde sind wir Sammler. Manche sammeln Kunst. Wir sammeln Steine.

Hat Stein eine Seele? 
Eine Seele hat er für mich schon. Auch hat er Energie und gibt Kraft. Vor allem bei den Quarzen merkt man das. Wenn man einen Eiswürfel auf einen reinen Quarz legt, schmilzt er doppelt so schnell wie auf einer anderen Oberfläche, weil so viel Energie in ihm steckt. Andere Steine können einen beruhigen. Die Materialität ist so vielfältig und so komplex. Darum kauft man Stein nicht in einer Lagerhalle oder im Baustoffhandel, sondern bei jemandem, der das wirklich lebt und sich auskennt.

Worauf kommt es beim Umgang mit Stein an? 
Stein braucht eine Bühne. Daher ist weniger Stein oft mehr. Wir sehen derzeit viele Kücheninseln, die komplett mit Stein verkleidet sind. Sie wirken viel schöner auf einem Holzboden, als wenn sie auf einem weiteren Stein stehen würden. Das ist dann zu viel. Derzeit geht der Trend dahin, immer mehr Wände mit Stein zu verkleiden. Auch hier ist es viel spannender, wenn der Boden zum Beispiel mit breiten Eichenholz-Dielen ausgelegt ist. Oder umgekehrt macht man den Boden aus Stein und die Wände aus Holz. Es geht um ein Gleichgewicht. Das gilt auch für Steine untereinander. Manche Arten sind für sich allein ganz wunderschön. Aber in Kombination können sie fürchterlich aussehen. Wenn ein Stein sehr kräftig ist, sollte der andere Stein eher dezent sein. Sonst wird man verrückt. Ich sage immer, die stille oder schlichte Eleganz ist ganz wichtig. Steine sollen miteinander harmonieren, damit es einen schönen Fluss ergibt.

Produktionshalle der Breitwieser GmbH in Tulln. Neben neuester Technologie zählt noch das Handwerk.

Wie steht es mit den Farben? 
Der Trend zu dunklen, fast schwarzen Platten nimmt deutlich ab. Früher haben sie 30 Prozent des Umsatzes ausgemacht. Heute sind es vielleicht drei Prozent. Der momentan meistverkaufte Stein der Welt ist „Taj Mahal“. Dieser beige Quarzit stammt aus Brasilien, nicht aus Indien, wie der Name vermuten lässt. Er macht 55 Prozent des globalen Umsatzes aus. Und der Rest des Weltmarkts verteilt sich auf alle anderen Steine. Wir arbeiten viel mit hellem Laaser Marmor aus Südtirol. Dort sagen sie: „In Carrara schneiden sie Butter – und wir schneiden Stein.“ Carrara-Marmor ist nämlich sehr viel weicher als dieser Stein, der eine wunderschöne Zeichnung hat und immer mehr gefragt wird. Grüne und rosafarbene Steine sind im Moment auch sehr stark. Doch da geht es eher um einzelne Platten als um ganze Räume.

Was hat sich außer dem Farbspektrum noch verändert? 
Die Art und Weise, wie Stein verlegt wird. Früher wurden Platten gespiegelt angeordnet, so wie die Seiten von einem aufgeschlagenen Buch. Jetzt geht der Trend dazu, die Adern fortlaufen zu lassen. Ein Badezimmer sieht dann so aus, als würde man mitten im Steinbruch stehen. Daher ist es ganz wichtig, die Platten so exakt zu legen, dass man keine Fuge sieht.

Die moderne rosa Küche in einem klassischem Stilaltbau setzt auf den eleganten Quarzit Rosa Cristallo.

Es geht also über die Fläche hinaus in den Raum? 
Genau das sehen wir derzeit. Immer mehr Architekten suchen für ihre Kunden ganze Blöcke aus. So können wir für sie nicht nur durchgehende Platten schneiden, sondern auch Waschtische und andere dreidimensionale Objekte fräsen. Wenn ich einen ganzen Block habe, kann ich es so planen, dass es perfekt wird, weil alles aus demselben Material ist. Das bringt eine Qualitätssteigerung und gibt den Architekten außerdem die Möglichkeit, sich noch mehr auszutoben. Aus diesem Grund wollen wir unsere Ausstellungshalle hier in Tulln flächenmäßig verdoppeln. Dann können wir nicht nur Platten, sondern auch Jahrhundertblöcke richtig präsentieren.

Inwiefern? 
Wenn ein Steinmetz früher auf einer Baustelle mit einer Abweichungvon zwei Zentimetern gearbeitet hat, war er supergenau. Jetzt sind wir dank Wasserstrahltechnik und diamantbesetzter Fräsköpfe bei einer Präzision von einem Zehntelmillimeter angelangt.

Welchen Vorteil hat Stein gegenüber Keramik? 
Gegenüber einer keramischen Fliese verbrauchen wir nur sechs bis zehn Prozent an Energie. Der Wasserverbrauch von Stein liegt bei vier bis fünf Prozent gegenüber der keramischen Fliese. Bei unserer Produktion in Tulln sind wir übrigens komplett CO2-neutral. Wir heizen mit Erdwärme, produzieren unseren eigenen Strom. Das gesammelte Regenwasser benutzen wir zum Schneiden. Hinzu kommt die Haltbarkeit. Neulich kam ein Architekt zu uns und meinte: „Wir nehmen nur die günstigen Materialien.“Ich schaute ihn leicht verwundert an, bis er sagte: „Wir machen ein Badezimmer, das soll mindestens 350 Jahre halten. Und das geht nur mit Stein.“ Und das stimmt: Das Material ist zeitlos schön. Damit schafft man etwas für die Ewigkeit.

Wien Museum am Karlsplatz
Jede Fuge der Fassadenplatten wurde 3D-gescannt und neu geschnitten und wie ein neuer Stoff um das Gebäude gewoben, mit verarbeiteten Nähten und Rändern.